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Flóki - Ein Jahr oder Trauer macht weich

Ein Katzenmensch - jawoll - das bin ich. So habe ich mich immer gesehen. Bis eines Tages zwei Münsterländerdamen aus der Wetterau in mein Leben gewinselt kamen. Sie wurden schlecht gehalten, kannten wenig und kamen so gut wie nie von ihrem Grundstück, obwohl Wiesen, Felder und Flüsse direkt hinter dem Haus lagen.

Bei Wind und Wetter habe ich nun lange Spaziergänge mit den beiden unterschiedlich alten Hündinnen unternommen - es waren Mutter und Tochter. Ich merkte wie mich diese Spaziergänge entspannten. Ich war gerne mit diesen Seelen unterwegs. Und ich merkte auch, dass ein ganz altes Gefühl wieder in mir aufkam. Ein Gefühl, das ich vor langer, langer Zeit hatte.

Diese Spaziergänge haben mich mit einem guten Gefühl aus meiner Kindheit zusammengebracht. Es war das Gefühl vollkommen eins zu sein, mit mir, mit den Wesen, mit der Welt und dem Tag. Ein Gefühl des Vertrauens dahin, dass ich mich auf meinen Instinkt, meine Intuition verlassen kann. Ich mache es richtig - jetzt - denn als Kind gibt es nur das Jetzt und das Jetzt fühlt sich unheimlich gut an.

Mittlerweile lebt Jack, ein spanischer Hundemann, bei uns und gibt mir oft dieses Gefühl. Durch ihn lerne ich auch mich immer besser kennen, denn ich muss mit meinen Grenzen klarkommen und das ist ohne etwas zu erkennen und zu lernen fast nicht machbar. Jemand sagte einmal „Störungen sind unsere Lehrer – durch Störungen lernen wir“. Und für mich sind die eigenen Grenzen solche Störungen.

Dann kam Flóki zu uns. Eine nette, etwas verrückte Mischlingsdame aus Darmstadt. Mit ihr zusammen habe ich Täler durchschritten und bin durch Verhaltensweisen gegangen, die grauenhaft waren. Keine von uns beiden konnte sich in diesen Augenblicken wirklich gut leiden. Aber wir rutschten manchmal gemeinsam hinein, um dann ziemlich erschöpft gemeinsam wieder heraus zu kommen.

Ich hatte das Gefühl, ich lernte mich besser kennen denn je. Aber auch sie lernte ich besser kennen als manches andere Wesen. Das Verrückte daran ist, dass sie es mir immer wieder verziehen hat. Das Schöne am Zusammenleben mit Hunden ist, dass sie einen nie bewerten und nicht ändern wollen. Sie wollen einfach nur verstehen was sie tun können, um gut miteinander zu leben.

Diese vertrauensvolle Hingabe von Flóki hat mich tief berührt. Ihren eindringlichen Blick - direkt in mein Gesicht und mein Herz - werde ich nicht los. Das konnte sie nicht immer. Manchmal war sie sehr in sich versunken und hatte wenig Kontakt zur Welt. Dann war sie mein Vata-Fähnchen: ein bisschen orientierungslos überall in der Welt.

Mit zwei Hundeseelen unterwegs zu sein hat mich wieder in die fast vollkommene Präsenz des Momentes gebracht, so dass ich oft nach diesen Ausflügen wirklich erholt und entspannt war. Denn das ist es, was uns entspannt: das spüren des Momentes, das Jetzt. Im Jetzt gibt es keine Vergangenheit und keine Zukunft. Im Jetzt spürt man die Ewigkeit. Das können Hunde einen spüren lassen. Und mit Flóki war ich viel hier im Jetzt, weil sie das brauchte und ich selbst offenbar auch. Nun ist sie nicht mehr da. Ich musste sie wieder abgeben. Sie fehlt mir jeden Tag ganz fürchterlich, denn sie war mir eine Lehrerin und ich durfte sie lieben.

Was mir gerade bleibt ist eine Trauer, die mich innerlich weich macht und mir so viel von meiner Härte gegenüber den Lebensumständen in einer Stadt wie Frankfurt nimmt: viele Menschen, viele Geräusche, viel Bewegung! Überall werde ich aufgefordert, etwas zu kaufen oder zu konsumieren, damit ich glücklich bin. Jeder in dieser Stadt will Raum und Platz, um sich zu entfalten.

Manchmal wurde ich ruppig, wenn ich aus meiner Mitte geriet und es mir zu viel wurde. Jetzt, in meine Trauer über den Verlust von Flóki, bin ich weicher. Es interessiert mich nicht in einen Konflikt zu kommen. Wenn ich weich bin, fühle ich auch mehr Klarheit. Vielleicht liegt ja darin eine Chance, die wir in Trauer finden können: nicht in den Widerstand zu gehen sondern zu schwingen und weich zu werden. Wie beim Ausatmen.

Merci Flóki! Oder Om namah Flókiaya!

(Katrin Lauer - Lotusblume Yoga & Ayurveda, Frankfurt, April 2019)