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Anusara – Folge deinem Herzen

Anusara® Yoga ist ein modernes Yoga-System das 1997 von dem Amerikaner John Friend begründet wurde. Wie alle anderen körperorientierten Yoga-Stile basiert es auf Hatha Yoga. Es unterscheidet sich hauptsächlich durch den therapeutischen Nutzen seiner Ausrichtungsmethode, die auf den neuesten Erkenntnissen der Biomechanik beruht. Und durch das sogenannte Herzthema, einem philosophischen Thema, auf dem jede Stunde aufbaut und das dem Schüler auf anschauliche Weise die Yoga-Philosophie vermittelt.

Wilfried Huchzermeyer übersetzt im Yoga-Lexikon Anusara mit „Folgen, Nachfolgen“. oder „natürlicher Zustand“. Laut Anusara Immersion Handbuch bedeutet Anu = „mit dem“ und sara= „Fluss, Essenz“. Anusara heißt frei übersetzt: "sich im Fluss befinden", "mit der höheren Energie fließen", "im Einklang mit dem Universum sein". Im Anusara Yoga geht es darum, in Verbundenheit zu sein mit dem, was uns im tiefsten Inneren ausmacht. Diese Essenz sitzt gemäß der Yoga-Philosophie in unserem Herzen. Anusara kann man deshalb auch mit „Folge deinem Herzen“ übersetzen. Wir sollen unserer Intuition, unserem Bauchgefühl folgen oder den Weg der Glückseligkeit gehen. Aadil Palkhivala sagt: "Dem Herzen folgen, und nicht so sehr dem Kopf oder unserer Lust - das ist der einzige Weg zu mehr Magie im Leben. Lerne, auf die leise Stimme zu hören, und nicht so sehr auf die lauten Stimmen des rationalen Hirns oder der blinden Leidenschaft. Denn nur unser Herz kann uns zu unserer Seele führen - und unsere Seele ist das wahre Wunder". Der kleine Prinz erhält vom Fuchs folgenden Ratschlag: "Hier mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."

Universelle Ausrichtungsprinzipien

Die fünf universellen Prinzipien der Ausrichtung (genannt UPAs) sollen den Körper individuell kräftigen und festgefahrene Bewegungsmuster auflösen, um so eine optimale Haltung zugunsten eines besseren Körpergefühls zu erlernen. Beim Üben der Asanas (Körperstellungen) steht deshalb das exakte Ausrichten des Körpers – genannt Alignement – im Vordergrund. Wo und wie werden Hände und Füße auf der Yogamatte platziert? Wie werden einzelne Körperteile durch welche Muskeln korrekt ausgerichtet? Und was machen die Gelenke dabei? Alle fünf Prinzipien sollen in jeder Stellung präsent und im Gleichgewicht sein. Sie werden in der Reihenfolge Open to Grace, muskuläre Energie, innere Spirale, äußere Spirale und organische Energie aufgebaut.

Open to Grace (sich zum Höheren hin öffnen) erinnert uns daran, den Geist für alle Möglichkeiten, die das Leben bietet, offen zu halten. Ja sogar die Herausforderungen des Lebens als Gelegenheit zum Lernen und Wachsen willkommen zu heißen. Wenn wir uns dieser Lebenskraft öffnen, die in uns und überall um uns herum pulsiert, bekommen wir einen Zugang zu einem bewussteren und glücklicheren Leben.

Beim Prinzip der muskulären Energie (ME) stellen wir uns vor, wir ziehen Energie von außen nach innen zur Körpermitte. Füße, Beine, Arme, Hände und Kopf werden physisch zu einem der drei Fokuspunkte (FP) gezogen. Je nach Asana befindet sich der FP im Zentrum des Beckens, am tiefsten Punkt des Herzens oder am oberen Gaumen. ME zieht auch die Haut und Muskeln auf die Knochen, so als würden sie diese fest umarmen. Diese beiden Aktionen integrieren die Gelenke und steigern Stabilität und Kraft in einer Stellung. Ein Gefühl von Sicherheit sowie eine bewusste Verbindung von Körper und Geist entstehen.

Die inneren Spirale (IS) ist eine sich ausdehnende Energiespirale, die an den Füßen beginnt und auf Höhe der Taille endet. Sie erdet die großen Zehenballen, aktiviert die Innenseite der Beine, so dass sich die Oberschenkel leicht nach innen drehen und nach hinten und auseinander bewegen. Dadurch weitet sich das Becken (die Gesäßknochen gehen auseinander) und die natürliche Kurve der unteren Wirbelsäule wird unterstützt und beibehalten. Es entsteht mehr Raum für das Kreuzbein und die Kompression im Iliosakral-Gelenk verringert sich. Die Hüftgelenke können sich freier bewegen und erlauben z.B. tiefere Vorwärtsbeugen ohne dabei die Bandscheiben und Bänder des unteren Rückens zu belasten.

Die äußere Spirale (OS = outer spiral) ist eine zusammenziehende Energiespirale, die auf Höhe der Taille am Rücken beginnt und sich über das Gesäß nach unten fortsetzt, wobei sie das Steißbein nach unten verlängert. Dadurch wird der Beckenboden und die untere Bauch-Muskulatur aktiviert: das Becken als tragendes Element der Wirbelsäule kommt in eine korrekte und stabile Aufrichtung und die Wirbelsäulen Wölbung wird in die Länge gezogen. Eine lang gezogene und gleichmäßig gewölbte Wirbelsäule ist die Voraussetzung für schmerzfreie Rückbeugen. Als Gegenkraft der IS erdet sie die äußeren Fersen, so werden die Beine zu einer kraftvollen und stabilen Basis.

Der Begriff organische Energie (OE) bezeichnet einen natürlichen, subtilen Energiefluss, der an einem FP entsteht und sich entlang der Kernlinien des Körpers in die Peripherie bewegt. Die Gelenke strecken sich weg von der Mittellinie und bekommen so Bewegungsfreiheit. Wir stellen uns dabei eine sanfte, nach außen gerichtete Ausweitung oder „Anhebung“ der Haut vor. Die Asana wird dadurch leicht und ausdrucksvoll. Während sich die OE nach unten zur Basis einer Haltung bewegt, fördert sie zugleich über dieses Verwurzeln die natürliche, nach oben strebende Ausdehnung aller Körperbereiche oberhalb des FP.

Des Weiteren gibt es sieben sanfte Energieströme genannt Loops, die der Feinabstimmung dienen. Sie bringen Fußgelenke, Knie, Becken, Torso und Kopf in eine noch korrektere Ausrichtung.

Herzthema

Jede Anusara Yogastunde ist auf einem philosophischen, herzöffnenden Thema aufgebaut. Themen wie Balance und Freude sollen alte Denkmuster auflösen, damit eine neue lebensbejahende Sichtweise unseren Alltag bereichern kann. Durch die präzise Ausrichtung in den Asanas und dem Herzthema erfahren wir ein Gefühl von Verbundenheit und Einheit, so dass wir uns im Fluss mit dem Leben fühlen. Wir finden Zugang zu unserem Herz und spirituellem Wachstum.

Freiheit und Zufriedenheit

Durch die detaillierte Ausrichtung in den Asanas, erscheint Anusara Yoga auf den ersten Blick sehr körperorientiert und technisch. Die UAPs und Loops verhelfen jedoch zu einer anatomisch sinnvollen und somit gesunden Körperhaltung. Knochen, Gelenke und Muskeln werden so ausgerichtet, dass Energie frei fließen kann. Wie bei einem Gartenschlauch, durch den kein Wasser fließt, weil irgendwo ein Knick drin ist, kann keine Energie fließen, wenn die Leitbahnen nicht frei sind. Fließt jedoch die Energie, wird jede einzelne Körperzelle mit der Lebenskraft Prana versorgt. So das wir nicht nur körperlich aufgerichtet durchs Leben gehen, sondern auch geistig aufrecht. Da nur in einem gesunden Körper der Geist zur Ruhe kommt, ist für eine spirituelle Entwicklung eine körpertherapeutische Ausrichtung notwendig.

Nach einer Anusara Stunde fühlt man sich entspannt, aber voller Energie: man strahlt förmlich von innen heraus! Prana, die Lebensenergie – freigesetzt durch die Universellen Ausrichtungsprinzipien des Anusara Yoga – hilft uns, über uns hinaus zu wachsen und bedingungslos „JA“ zum Leben zu sagen.

(Claudia Dahnelt - Lotusblume Yoga & Ayurveda, Frankfurt, Januar 2016)